ARTEFAKT VS DATENTRÄGER
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Wir exponieren also einen intakten Datenträger der uns nostalgisch entgegentritt und uns zugleich die allgemeine Kurzweiligkeit bewusst werden lässt.
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ARTEFAKT VS DATENTRÄGER / EIN GEDANKENSPIEL
Flusser nennt unsere Welt »kodifiziert«, dem können wir in jedem Fall zustimmen. Bei unseren Experimenten zum VHS-Loop ergab sich eine Frage: Was macht den Datenträger eigentlich zu dem was er ist: Ein Konserviergefäß für Information? Wir haben eine These aufgestellt: Die oberste Prämisse eines Datenträgers besteht also darin auch gelesen werden – sprich entziffert werden zu können. Wie das "lunar orbiter" Projekt zeigt ist es heutzutage keineswegs sichergestellt, dass all unsere Informationen die Zeit überdauern. Zwar gibt es heute Festplatten, Clouds, DVDs und Server aller Art, jedoch vergrößert sich die Datenmenge dazu auch proportional. Wir produzieren mehr Daten denn je und die Wahl des optimalen »Datenträgers« zeigt sich oft erst im nach hinein. Es gibt also mehrere Komponenten die einen Datenträger zu seiner Aufgabe bemächtigen: Wie flexibel lassen sich Daten und Informationen aus dem Träger extrahieren und in ein anderes Medium transferieren? Auch der Endverbraucher ist oftmals vom technologischen Faktor betroffen. Bis vor kurzem war es gängiger Usus, wichtige Daten mittels optischen Datenträggern (wie beispielsweise der DVD) nochmals zu sichern. In den neuen Modellen der Endverbrauchergeräte befinden sich jedoch standardmäßig keine Lesegeräte mehr. (wir bedienen uns heute dem externen Laufwerk - und somit bleibt der Ausdruck -Datenträger- im Zusammenhang mit der DVD nach wie vor gültig.) Stellt man sich jedoch vor, dass auch diese Lesegeräte nach und nach verschwinden - die Cloud zum allgemeingültigen Standard unserer Datenspeicherung wird, so hätten wir letztendlich nur noch eine runde, regenbogenschimmernde, 12*12cm Scheibe vor uns liegen. Wenn wir keine Möglichkeit haben Information zu extrahieren so kann keine Rede mehr von einem Datenträger sein - die Information bleibt für uns unzugänglich. Die Information eines Datenträgers muss immer in einem bestimmten Code aufgezeichnet werden. Beim Lesen bedienen wir uns dem Codesystem der Sprache. Einem Datenträger kann nicht nur der technologische Fortschritt zum Verhängnis werden, es kann sich auch das Zeichensystem, in welchem die Information gespeichert wurde verändern: Als Beispiel möchten wir hier kurz den -Stein von Rosette- anführen: Der Stein enthält eine dreisprachige Inschrift aus dem Jahr 196 v. Chr. und ehrt den ägyptischen König Ptolemaios V. Da das Zeichensystem der "Hieroglyphen" weitgehend unentschlüsselt war, der gleiche Text jedoch in drei Sprachen vorhanden ist - trug der Stein also erheblich zu neuen Kenntnissen über die Codes der alten Ägypter bei. Der Stein kann hier also nicht nur als Datenträger (altgriechisch & demotische Sprache) angesehen werden, sondern er besitzt in diesem Fall auch noch die Funktion eines "Entschlüsselungsprogrammes". Wäre der Stein von Rosette rein hypothetisch nur einsprachig und in Hieroglyphen verfasst, so würde der uns nach wie vor unbekannte Code keine Informationen freigeben und wir hätten es mit einem Datenträger zu tun, der keinerlei Bedeutung für uns hat – ein Artefakt. Ein Datenträger hat also entschlüsselbaren Code als oberste und erste Voraussetzung.
VHS LOOPS UNTER DEM ASPEKT DES INFORMATIONSTRÄGERS
Kehren wir zurück zu den »Video Loops«. Dieser ist nach wie vor ein Datenträger, denn das Band kann immer noch gelesen – vom technischen System interpretiert werden und in audiovisuelle Reize umgewandelt werden. Wir exponieren also einen intakten Datenträger der uns nostalgisch entgegentritt und uns zugleich die allgemeine Kurzweiligkeit bewusst werden lässt. Die Wahl des VHS-Mediums hat also durch aus seine Berechtigung, einerseits erscheint es als noch funktionierendes Relikt jüngerer Technik-Geschichte, auf der anderen Seite erhält es genauso wie Ikedas Lochkarten eine symbolische Aufladung. Warum das Videoband heute kaum noch genutzt wird ist eigentlich schnell erklärt: Heute geht es um Geschwindigkeit und Auflösung, unserer Computer sind so gut geworden, dass eine höhere Auflösung eines Bildes keine technischen Schwierigkeiten mehr darstellt. Auf der anderen Seite ist es (ebenfalls aufgrund des Computers) sehr viel einfacher geworden, Videos zu schneiden, montieren – kurz sie zu bearbeiten, das geht mit einer Festplatte um ein Vielfaches schneller und einfacher, als wenn man ein Magnetband überspielt; Im nächsten Schritt dieser künstlerischen Arbeit stellt sich die Frage, was auf dem Magnetband für Informationen gespeichert werden sollen. In ersten Versuchen wurde ein Berner Denkmal filmisch dokumentiert und auf das manipulierte Band gespeichert. Man sieht also Skulpturen aus verschiedenen Blickwinkeln, statische Aufnahmen, PassantInnen, TouristInnen; Dazwischen kommt es zu Bildstörungen, – ein Flimmern, das Band läuft auf den Nägeln nicht immer regelmäßig, die ganze Konstruktion ist fragil und äußerst fehleranfällig. Dort wo der manipulierte Loop zusammengeklebt wurde, ergibt sich ein Störbild, welches ungefähr zwei Sekunden anhält und generell hat man das Gefühl, dass mit jedem Durchlauf des Bandes, die Qualität abnimmt – es gelöscht wird, sprich die Informationen verloren gehen. Haben wir zuvor von einem digitalen Glitch-Video gesprochen, dass über den VHS-Player abgespielt wird, haben wir in einem weiteren Versuch auch einen von uns erstellten Kurz-Doku Film, der sich nur mit einem einzigen Denkmal befasst, (der Inbegriff der materiellen Gedächtnisstütze) auf dem nostalgischen Medium wiedergegeben. Das Denkmal wird auf dem Film nach und nach gelöscht, es verblast und löst sich irgendwann im »White Noise« auf. Wir haben uns also nicht nur mit dem Medium sondern auch mit dem Inhalt beschäftigt. Das gezeigte Bild, seien es beinahe statische Aufnahmen eines beliebigen Denkmals oder aber technisch-stilisierte Bilder, aus dem Computer generiert: Die Bedeutung des Mediums, seiner Hängung, ändert sich. Nun gibt es einen Text von Vilem Flusser, der die bisherigen Gedankengänge noch einmal schlüssig zusammenfasst, ein Text der sich fabelhaft einfach und komplex zugleich mit unserem heutigen Zustand der »Immaterialität« auseinandersetzt. Im nachfolgenden sollen die für uns wichtigsten Inhalte dieses Textes wiedergegeben und interpretiert werden. Das nomadische Prinzip unserer neuen Zeit, das Flusser beschreibt, erscheint uns als sehr inspirierende Quelle für das eigene künstlerische Schaffen.