DAS AUTOBIOGRAFISCHE GEDÄCHTNIS
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„Im menschlichen Gehirn hat beides Platz, das dynamische Erinnern im episodischen Gedächtnis und das zuverlässige Speichern von (auswendig) Gelerntem im semantischen Gedächtnis.“ // Assmann
QUELLEN
3 3 vgl. Assmann, Einführung in die Kulturwissenschaften S190 -191
4 vgl. Kaku, S156f
5 zit. n. Bourdieu, Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Habitus_%28Soziologie%29, aufgerufen am 08.02.2015
6 vgl. Konstruktionen des Erinnerns, S245
7 zit.n. Assmann, Einführung in die Kulturwissenschaften, S187
8 zit.n. Assmann, Einführung in die Kulturwissenschaften, S187
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DAS AUTOBIOGRAFISCHE GEDÄCHTNIS
Zunächst können wir die zeitlichen Strukturen unseres Gedächtnissystems (Ultrakurzzeitgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis, Langzeitgedächtnis) unterscheiden: Sensorische Informationen (z.B: Tast- oder Temperatursignale) gelangen über das Stammhirn zum Thalamus (er bildet den größten Teil des Zwischenhirns) wo sie wiederum an die verschiedenen sensorischen Areale des Cortex verteilt werden. Die Hirnrinde (Cortex) bearbeitet die Informationen und leitet sie zum präfontalen Cortex, wo die Information schließlich „bewusst“ wird und das bildet, was wir als Kurzzeitgedächtnis bezeichnen. Ein solcher Gedächtnistyp kann die Information einige Sekunden bis Minuten „zwischenspeichern“. Um die Information in eine langfristige Erinnerung zu transformieren, muss diese den Hippocampus passieren, um dort wiederum in einzelne Fragmente aufgeteilt zu werden und einzelnen Cortexarealen zugewiesen werden.
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Das Gehirn speichert also nicht sequenziell (wie auf einem Computerband) sondern zerlegt die Information in unterschiedlichste Kategorien. „Was wir z.B: im Sehen als sinnvollen visuellen Eindruck wahrnehmen. Durch Lernprozesse und Erfahrung werden diese neuronalen Pfade gefestigt und bilden dauerhafte Eigenschaften unseres kognitiven Systems. Abgesehen von diesen zeitlichen Strukturen gilt es auch hinsichtlich der Gedächtnisinhalte an sich zu unterscheiden: Dabei dient das prozeduale Gedächtnis vor allem dazu motorische Abläufe durch »impliziertes Lernen« zu verinnerlichen. Das prozedurale Gedächtnis ist in den Körper eingelassen. Beispiele für dieses verkörperte Gedächtnis sind Radfahren, Schwimmen und Klavierspielen; Aktivitäten die wir als einmal erlernte Fähigkeiten beherrschen und in relativer Unabhängigkeit vom Bewusstsein vollziehen. Auch alltägliche Handlungen wie Frühstück machen oder den Hund ausführen, können durch permanente Wiederholung so automatisiert werden, dass ihr Vollzug unter die Bewusstseinsschwelle absinkt. In diesem Falle spricht man von »habitualisierten Handlungen«, die ebenfalls eine Form des verkörperten Gedächtnisses sind. „»Habitus« umfasst für Bourdieu zunächst die objektive Kategorisierung von Angehörigen bestimmter sozialer Klassen innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen und darüber hinaus ein auf das Subjekt bezogenes Konzept der Verinnerlichung kollektiver Dispositionen.“
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Semantisch vs Autobiografisch
Das »autobiografische Gedächtnis« hingegen lässt sich der Oberkategorie des „deklarativen Gedächtnisses“ zuordnen und speichert vor allem Fakten und Ereignisse die zu unserer individuellen Biografie gehören. Erinnerungen aus dem Bereich des autobiografischen (auch episodisches Gedächtnis genannt) beziehen sich demnach auf vergangene Situationen und Erlebnisse denen wir uns „bewusst“ werden können – sie uns vergegenwärtigen. Diese Erinnerungen sind ein komplexe Rekonstruktion die vielen beeinflussenden Faktoren unterworfen sind. Unser Gehirn ist durchzogen von einem zusammengeschlossenen Netzwerk bestehend aus Neuronen. Diese komplexen Nervensysteme vernetzen kortikale, sensorische und motorische Prozesse und haben aufgrund dessen die Möglichkeit dauerhaft Wege für Erregungsverläufe in den Nervennetzen zu bahnen.
6 Mit anderen Worten: Erinnerungen die das »autobiografische Gedächtnis« betreffen beinhalten also unsere eigenen vergangenen Erlebnisse und es bewahrt diese mehr oder weniger zuverlässig auf. Neurowissenschaftler sind der Meinung, dass es sich bei dieser Form der Speicherung keinesfalls um stabile »Daten« handelt: Sie unterliegen großen Schwankungen, Variationen und Umdeutungen. Nun ist es so, dass das autobiografische Gedächtnis nicht den kompletten Inhalt unseres Gedächtnisses ausmacht. Hinzu kommt das »semantische Gedächtnis«. „Damit ist die Summe dessen gemeint, was wir nicht durch persönliche Erfahrung, sondern durch gezieltes Lernen in uns aufnehmen.“
7 Dabei ist anzumerken, dass das »semantische« Gedächtnis in der Regel einer nicht so hohen Instabilität wie das autobiografische Gedächtnis unterliegt. Wer in der Schule einmal die Rechenaufgabe 5*6=30 gelernt und verinnerlicht hat, wird dieses zehn Jahre später höchstwahrscheinlich nicht mit 31 oder 29 ersetzen – das semantische Gedächtnis ist also »relativ« stabil. Wäre dem nicht so, könnten wir laut Assmann Schulen und Universitäten schließen – es wäre nicht mehr möglich Prüfungen abzunehmen. Greifen wir also auf die Aussage zurück die Festplatte kann als externes Gedächtnis des Menschen fungieren – so ist das zwar in gewisser Weise richtig aber es kann die Komponente des autobiografischen Gedächtnisses nicht simulieren. „Im menschlichen Gehirn hat beides Platz, das dynamische Erinnern im autobiografischen Gedächtnis und das zuverlässige Speichern von (auswendig) Gelerntem im semantischen Gedächtnis.“
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