DATENTRANSFER / KOMMUNIKATION

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„Die menschliche Kommunikation ist ein künstlicher Vorgang. Sie beruht auf Kunstgriffen, auf Erfindungen, auf Werkzeugen und Instrumenten, nämlich auf zu Codes geordneten Symbolen.“ // Flusser

QUELLEN

57 zit.n. Flusser, Kommunikologie, S9
58 zit. n. Flusser, Medienkultur, S21
59zit. n. Flusser, Medienkultur, S21
60 zit. n. Flusser, Medienkultur, S22
61 zit. n. Flusser, Medienkultur, S22

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DATENTRANSFER / KOMMUNIKATION

Haben wir uns in den vorherigen Texten mit der Geschichte der Medienkultur (Gutenberg) und den aktuellen technologischen Situationen (Internet & Clouds) auseinandergesetzt, gilt es nun noch einen genaueren Blick auf die Kommunikation an sich zu werfen. Der Mensch kommuniziert seit seiner Existenz, nur das Medium befindet sich im ständigen Wandel. Egal ob mittelalterliche Druckerpresse oder der »Recommend-Button« in den Netzwerken, wir nutzen Medien für die Kommunikation – ja die Kommunikation hat die Medien überhaupt erst hervorgebracht. Folgend sollen die Grundstrukturen der zwischenmenschlichen Kommunikation anhand von Flussers Publikation »Kommunikologie« näher beleuchtet werden.

„Die menschliche Kommunikation ist ein künstlicher Vorgang. Sie beruht auf Kunstgriffen, auf Erfindungen, auf Werkzeugen und Instrumenten, nämlich auf zu Codes geordneten Symbolen.“ 57 Vergleicht man die mediale Situation vor dem zweiten Weltkrieg mit unserer Gegenwärtigen so kann laut Flusser eine „Farbexplosion“ beobachtet werden. Egal ob Strassenverkehr, Konsumgüter oder alltägliche Gebrauchsgegenstände: Farben erregen unsere Aufmerksamkeit und haben Bedeutung. Das signifikante „Rot“ an der Ampel bedeutet „Stop“, die Farbvielfalt bei Schuhen suggeriert uns hingegen die scheinbare Möglichkeit individueller Entfaltung. „Wir werden von bedeutungsvollen Farben berieselt, man programmiert uns mit Farben.“ 58 Farben stellen also einen Aspekt unserer kodifizierten Welt dar – sie sind jene Art, wie uns Oberflächen erscheinen. Wenn also unsere Kommunikation und unser soziales Zusammenleben zu einem großen Teil mittels farbigen Oberflächen stattfindet, dessen Bedeutungen in uns „einprogrammiert“ sind, so hat die Oberfläche an sich an Wichtigkeit gewonnen. Wände, Schirme, TV-Geräte, interaktive Werbeflächen, Aluminium, Glas, etc. sind wichtige Träger von Information und somit essentielle Medien geworden. „Die Vorkriegssituation war relativ grau, weil damals Oberflächen für die Kommunikation eine kleinere Rolle spielten.“ 59 Anstatt des Materials und dem dazugehörigem farbigen Zusammenspiel des „Codes“ war damals eher die Linie an sich vorherrschend. Buchstaben und Zahlen – aufgrund ihrer Reihung und Strukturierung – mit Bedeutung versehen. Farbe spielt bei solchen eindimensionalen Codes (wie zB Schrift) eine eher untergeordnete Rolle: Der Buchstabe „T“ hat – unabhängig davon ob er sich uns in Grün oder Gelb präsentiert – für uns immer die gleiche Bedeutung.

Resultierend daraus kann also ein immenser Anstieg der Relevanz zweidimensionaler Codes beobachtet werden. Laut Flusser kann bei der Tatsache, dass die Menschheit von Oberflächen (also Bildern) programmiert wird jedoch keineswegs von einer Revolution die Rede sein. Es scheint gegenteilig eher eine Rückkehr zum Urzustand zu sein. Vor Erfindung der Schrift galt das Bild als essentielles Kommunikationsmittel. Da es sich bei den meisten menschlichen Codes (wie zB Sprache, Geste oder Gesang) um ephemere Kommunikationsmedien handelt, sind wir seit jeher auf Bilder angewiesen um Bedeutung zu entziffern. Als Beispiel nennt Flusser hier die mesopotamischen Lehmziegeln die uns noch heute über die Taten längsvergangener Generationen informieren. Doch auch nach der Erfindung der Schrift spielten die „Oberflächencodes“ wie etwa Fresken eine wichtige Rolle. Erst mit der Einführung des Buchdrucks als technisches Verfahren begann die breite Vorherrschaft des Alphabets. „Daher erscheint uns das Mittelalter – inklusive der Renaissance – so bunt im Vergleich zur Neuzeit.“ 60 Unsere aktuelle Rückkehr zum zweidimensionalen Code der Oberflächen (Bilder) kann und sollte jedoch nicht mit einer Rückentwicklung zum Analphabetismus gleichgesetzt werden, denn die heutigen Bilder, die uns gegenwärtig programmieren, haben nicht den gleichen Ursprung wie jene die vor Erfindung des Bruchdrucks die Lage beherrschten. Eine im Fernsehen ausgestrahlte Sendung ist anders als ein gotisches Kirchenfenster: „Der Unterschied ist kurz gesagt, dieser: Vor-moderne Bilder sind Produkte des Handwerks („Kunstwerke“), nach-moderne Bilder sind Produkte der Technik.“ 61

Hinter den uns heute programmierenden Bildern lassen sich wissenschaftliche Theorien feststellen, jedoch gilt dies nicht zwangsläufig auch für die Codes der Vor-moderne. Um die Unterscheidung dieser Qualitäten zu verdeutlichen erscheint eine kurze Begriffsklärung hilfreich: Grundsätzlich ist ein „Code“ ein System welches aus festgelegten Symbolen besteht. Übergeordneter Zweck eines Codes ist die zwischenmenschliche Kommunikation (und – dies sollte hinsichtlich unserer gegenwärtigen technischen Situation angemerkt werden – der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine). Abseits unserer künstlichen Welt, die wir uns selbst mit Bedeutung gefüllt haben (eben durch Symbole und Codes), stellt sich die Frage nach dem warum? Es gibt die mesopotamischen Lehmziegel, genauso wie es Lochkarten für erste Rechenmaschinen gibt, und es existieren heute Serverräume,in denen wir unsere Informationen auslagern. Medien und ihre Codes sind flüchtig, genau so wie die Informationen – die in ihnen enthalten sind – subjektiv gewählt sind.

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