Skizze zum Kommunikationsmodell: Amphitheaterdiskurs;
DIE DISKURS MODELLE
DER THEATERDISKURS
Der Theaterdiskurs besitzt eine Struktur, die nicht nur das Theater an sich betreffen, sondern kann auch auf Konzertsäle, Klassenzimmer oder das bürgerliche Wohnzimmer angewandt werden. Stellen wir uns ein Klassenzimmer vor. Mit dem Rücken zur Wand steht der Sender, in diesem Beispiel können wir ihn Lehrer nennen. Vor ihm, in einer oder mehreren Reihen angeordnet, befinden sich die Empfänger (Schüler). Die Wand hinter dem Sender dient als Abschirmung vor Geräuschen (Störungen). Der Lehrer ist das Gedächtnis, in dem die zu übermittelnde Information gespeichert ist. Die Luft als Medium bildet den Kanal des Informationsflusses und die Empfänger sind jene Gedächtnisse, in denen die verteilte Information gelagert wird. Diese Struktur hat abstrakt betrachtet, die Form eine antiken Theaters. Das Modell erfüllt die »Treue« zur Information durch die Wand (Schutz vor äußeren Einflüssen), der »Fortschritt« ist zugleich gewährleistet, weil jeder Empfänger das Podium betreten kann und sich in einen Sender zu verwandeln vermag. Die Wand schützt jedoch nicht vor inneren Geräuschen. Die verteilte Information wird mit den Gedächtnissen der Empfänger abgeglichen und läuft zu jeder Zeit Gefahr von Geräuschen (etwa Meinungen der Empfänger) infiziert zu werden. Das Modell ist ausgezeichnet geeignet um Informationen zu verteilen und sie im Dialog auszufalten – es hat den hauptsächlichen Schwachpunkt in der »Treue«.
DER PYRAMIDENDISKURS
Die Pyramidenstruktur findet vor allem bei Armeen, in Kirchen oder in politischen Parteien Anwendung. Hierarchisch an erster Stelle steht der Sender, mittels variierenden Kanälen sendet er an »Zwischenstationen« (diese sind zugleich Sender und Empfänger), welche die erhaltene Information an die nächste – hierarchisch unterliegende – Station weiterleiten, bis am Ende dieser Kette, die reinen Empfänger (wie etwa der gemeine Fusssoldat) stehen. Signifikant für diese Struktur ist die Rücksendung (Rückkopplung) der zuvor weitergegebenen Information an die nächst höhere Stufe zum Zwecke der Kontrolle (dies kann man sich beinahe wie die militärische Befehlskette vorstellen). Durch diese eingebauten »Rückkopplungen« in jeder Hierarchieebene wird die zu vermittelnde Information also jedes mal „gereinigt“, was im Gegensatz zum Theaterkurs eine hohe »Informationstreue« mit sich bringt. In puncto »Fortschritt« versagt dieses Modell jedoch auf ganzer Linie – der einfache Soldat besitzt keinen Kanal des Dialoges, solange er nicht (wortwörtlich) im Rang der Pyramide aufsteigt.
DER BAUMDISKURS
Der Baumdiskurs besitzt rein schematisch gesehen einen ähnlichen Aufbau wie das Pyramidenmodell – jedoch mit zwei wichtigen Veränderung: Der Informationsfluss beschränkt sich nun nicht mehr nur auf die Abfolge „von oben nach unten“, sondern es gibt nun zusätzlich „kreuzende Kanäle“ die die Information auch innerhalb einer Hierarchiestufe und von einem Gebiet zu einem ganz anderen fließen lassen (es kommt zur Aufhebung des endgültigen Empfängers – es gibt keine Fusssoldaten mehr). Die zweite Änderung betrifft oberste Stufe: Hier lässt sich kein klarer Sender mehr identifizieren, vielmehr ist die Rede von einer »Quelle«. Diese Strukturform finden wir vor allem in Wissenschaft, Technik oder aber auch einzelnen Kunstströmungen. Durch die interdisziplinären Kanäle können Codes aus verschiedensten Bereichen von Dialog zu Dialog übertragen werden. „Charakteristisch für diese Diskursstruktur ist die fortschreitende Zersetzung und Umkodierung der ursprünglichen Information und die daraus folgende ständige Erzeugung neuer Information.“66 Diesem Modell ist es gelungen den »Fortschritt«, also die dialogische Komponente zur Weiterverarbeitung von Information zu perfektionieren, hat aber die »Treue« zur Information an sich beinahe gänzlich verloren. Gerade durch unsere aktuellen kommunikativen Möglichkeiten spriessen da und dort verschiedenste Verzweigungen dieser Struktur – sie besitzt keinen tatsächlichen Empfänger mehr und kann bestenfalls von kybernetischen Gedächtnissen in ihrer Gesamtheit festgehalten werden. Was für den Menschen kommunikativ nicht mehr fassbar ist, ist unmenschlich geworden und kann nicht mehr auf den Satz „Die menschliche Kommunikation ist ein Kunstgriff gegen die
Einsamkeit zum Tode“
67 angewendet werden – deshalb hat sich die vierte Diskursform entwickelt: Die Amphitheaterdiskurse;
DER AMPHITHEATERDISKURS
Dieses Modell besteht im Grunde nur aus zwei Elementen: Ein, in einem leeren Raum schwebender, Sender (in dessen Gedächtnis die zu verteilende Information gespeichert ist) und aus den ausstrahlenden Kanälen. Dieses Modell finden wir nun in den uns wohlbekannten »Massenmedien«, dem Fernsehen, der Presse, dem Plakat; Die Kanäle (Medien) sind demnach also Zeitungspapier, Filmrollen (nostalgisch
gesprochen) und Bits & Bytes aller Art. Ein drittes Element in diesem Modell gibt es noch – wenn auch unklar und offen: Den Empfänger. Dabei handelt es sich um »Gedächtnisse«, die in einer scheinbaren Strukturlosigkeit (der Masse) die Ausstrahlungen des Amphitheaterdiskurses empfangen. Sender und Empfänger haben sich aus dem Blickfeld verloren, lediglich die Kanäle bleiben für beide sichtbar. Individuen die an der Kommunikation eines Amphitheaterdiskurses beteiligt sind, erkennen sich untereinander nicht mehr – sie wissen nicht Bescheid. Die Menschen werden zu »Informationskonserven« umfunktioniert – sie können nur empfangen, es gibt keine Rückkopplung, keine Möglichkeit des »Rücksendens«. Dieses Modell setzt sich aus Konstrukten menschlicher und elektronischer Gedächtnisse zusammen und bietet für die Absichten der Informationsverteilung (»Treue« und »Fortschritt«) die allerbesten Bedienungen. Die Treue wird aufrecht erhalten, da es keinerlei Feedback-Möglichkeit gibt, der Fortschritt wird dadurch gewährleistet, dass der Sender als ein nicht genau spezifizierbares Gebilde, ewig sendet (er benötigt keine Empfänger mehr, die die Information teilen).
„Es ist die Perfektion der Kommunikation, welche in anderen Kontexten mit dem Begriff des »Totalitarismus« versehen wird.“ Es ist jedoch unmöglich, die hier vorgestellten vier Diskursstrukturen auf ihren Erfolg hin zu beurteilen und eine Prognose für die nächste Zukunft aufzustellen, ohne zuvor auch den »Dialogen« Aufmerksamkeit zu schenken.“
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