RESUME
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Noise als Puls der Datenströme, das auf die Endlichkeit der Technik hinweist und den Menschen atmen lässt. Aus diesem Grund sind Störungen erlaubt, erwünscht. Geben wir dem Werk Luft zum atmen.
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RESUME
Wir haben uns also in diesem schriftlichen Aufsatz mit einzelnen Fragmenten riesiger Themengebiete auseinandergesetzt. Man sieht, wie komplex das menschliche Gehirn, sein Speichern und Prozessieren funktioniert. Es wird ersichtlich, dass es menschliche Züge gibt, die bis jetzt noch nicht in einen elektronischen Speicher »auslagerbar« sind, sprich wir sind technisch noch lange nicht so weit voran geschritten, als das wir ein künstliches Bewusstsein erzeugen könnten. Dennoch zeigt die Entwicklung in der Informatik oder auch der Kybernetik weitreichende Fortschritte, die unser Handeln und Denken – den Umgang mit Medien und Information verändern. Platon sprach noch vom unveränderlichen Wissen, dass in einer transzendenten Wolke (der Bibliothek) über uns schwebt und die Identität des Menschen mit konstruiert. In Flussers Anekdoten zu den Kommunikationsmodellen und dem Wandel hin zum modernen Nomadentum, lassen sich andere Züge erkennen: Er spricht von einer Unbewohnbarkeit, alle Information ist nicht mehr statischer Natur, sie wandelt und fließt, prozessiert sich, ergänzt sich und aktualisiert sich. Wir können auch heute im wortwörtlichen Sinne wieder von der Wolke, der Cloud sprechen. Sie ist das derzeitige Resultat einer technologischen Entwicklung. Wir gehen heute nicht mehr in die Bibliothek, sie kommt zu uns, wann immer wir wollen. Auch hier hat uns das Kapitel »Medienkultur« mit vertieftem Fokus auf digitales Netzwerk und Cloud gezeigt, dass die vollkommene Demokratisierung und damit ein effektives dialogisches Medium für politisches Engagement nur teilweise geglückt ist. Eckermann hat es so ausgedrückt: „Das Internet wurde sofort ökonomisiert.“ Die Frage nach dem optimalen Datenträger (und Kommunikationsmedium) lässt sich also auch im Resume dieses Aufsatzes nicht eindeutig beantworten. Das Medium manipuliert uns, stellt uns bestimmte Parameter und Arbeitsweisen zur Verfügung, verstärkt unterschiedliche Aspekte und lässt andere wiederum ganz weg. Was sich nach der intensiven Auseinandersetzung auf jeden Fall beschreiben lässt, ist die passierende Veränderung unserer Haltung und Nutzung im Bezug auf Medien. Wir sind bequem geworden, schnellere Datenverarbeitung werden überall und jederzeit möglich. Wir nutzen heute Technologien, die wir nur im Ansatz verstehen. Im Gegensatz zur Kaligraphie – die sich der Erforschung und der meditativen Perfektion der Handschrift widmet, setzen wir uns aktuell nicht mehr so lange und so intensiv mit den Informationsträgern auseinander – wir vertrauen auf technische Hilfsmittel. Dies führt uns nochmals zum Aspekt des Prothesengottes: Freud beschreibt darin den Menschen als Mängelwesen, der sich mit Hilfe von technischen Erweiterungen (in seinem Fall bezieht er sich auf das Fernrohr) zu einem erweiterten Menschen transformiert. Prothesen verbessern unsere Seh- oder Hörfunktionen, machen uns aber gleichsam »fehleranfällig«. Genau dieses Prinzip lässt sich auch heute auf unsere ausgelagerten Speicher anwenden. Die Auslagerung von Information macht uns zu einem Gewissen Grad frei, sie erweitert unser Fassungsvermögen; Zugleich treibt es uns aber auch in Abhängigkeiten, beispielsweise müssen wir aktuell auf die »Gutmütigkeit« von Internetriesen (nennen wir es beim Namen: Google) vertrauen – Information werden der „Relevanz“ nach gereiht – wer bezahlt wird gefunden, dabei rückt nicht mehr das Repertoire (gemeint ist hier das individuelle Wissen) in den Vordergrund – das Wissen über Funktion und System wird essentiell. Zusammengefasst kann also festgestellt werden, dass es zu einer Prämissenverschiebung hinsichtlich der Handhabung mit Information gekommen ist.
Wir verschenken Information
Das Kapitel »Medienkultur« hat sich auch mit den einzelnen Kommunikationsmodellen nach Flusser auseinandergesetzt und verdeutlicht, dass wir nach wie vor vom Amphitheaterdiskurs (Fernsehen) gelenkt werden; Die Mehrheit der aktuellen Massenmedien lässt sich nach wie vor in diese Kategorie einordnen. Durch die Auseinandersetzung mit dem globalen Netzwerk wurde ersichtlich, dass hier erneut Verschiebungen stattfinden – ähnlich wie bei den Anfängen der sogenannten Gutenberg-Galaxis haben wir durch das WWW eine Stimme erhalten, wie »echt« und wie ehrlich diese ist, lässt sich nach diesem Aufsatz leider nicht vollständig beantworten. Trotz Ökonomisierung, hat die Auseinandersetzung mit »Zukunftsszenarien« gezeigt, dass auch innovative neue Datenträger und Medien entwickelt werden. Als Beispiel sei hier nochmals auf den »Robo-Doc« hingewiesen, der eine enorme Entlastung des Gesundheitssystems mit sich bringen würde. Die Technik wird voranschreiten und vielleicht stellt die aktuelle Diskussion über Datenschutz und NSA-Spionage nur eine ephemere Phase in unserer Entwicklung dar. Vielleicht weicht alle Skepsis (bzgl. Manipulation) zugunsten des Fortschritts und wir geben unsere Daten zukünftig noch bereitwilliger ab um uns gegen Krankheit und andere Gefahren abzusichern? Wir wissen es nicht und können im Hier und Jetzt nur von unserer aktuellen Situation ausgehen. Eines wurde durch die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Themengebieten klar ersichtlich: Während der Mensch nach wie vor das »Vergessen« als Bedingung für die Erinnerung hat, (er selektiert, bevorzugt und konstruiert) ist dies im elektronischen Gedächtnis kein Thema mehr – das Fassungsvolumen der digitalen Bits scheint unerschöpflich. Auch wenn der »Ghost in the Shell-Exkurs« auch in zwanzig Jahren noch utopisch klingen mag, so kann man als erstes Resume dieser Arbeit für ein Bewusstsein der Medienvergänglichkeit plädieren. Erscheint uns der Standard im Bereich »Speichermedium« heute starr und stabil, so ist durchaus davon auszugehen, dass sich ein Großteil unserer aktuellen »Gewöhnung« wieder ändern wird. So wie sich die Medien wandeln so wird sich auch der Diskurs wandeln und wir haben bestimmt noch einige Medienrevolutionen vor uns. Dieses Bewusstsein über den stark wandelbaren und ephemeren Charakter eines Informationsträgers, kann als ein subjektives Ergebnis dieser Arbeit gesehen werden. Dabei hat es keinerlei Sinn, sich der Technik zu entziehen oder gar eine Feindschaft aufzubauen – viel interessanter ist für uns die Auseinandersetzung mit der Entwicklung und die Hoffnung, dadurch neue künstlerische und sozialpolitische Erkenntnisse zu gewinnen.
Was bleibt ist ein Hauch von Bewusstsein
Die Auseinandersetzung mit den Gedächtnisstützen bringt uns im künstlerischen Kontext ebenfalls weiter. Man kann das »Video Home System« nun zeitlich und kommunikativ genau deklarieren. Ein vergangenes Medium wird durch Manipulation einem ewigen Kreislauf und Löschung ausgesetzt. Auch die künstlerischen Positionen von Eckermann und Ikeda gaben Aufschlüsse über die Auseinandersetzung mit Medien. Die bewusste Exponierung eines Mediums im Kontext der Kunst gibt verschiedenste Bedeutungen frei: Der Datenträger ist codiert, das Abspielgerät gibt seine Informationen frei, die wir mit unseren Sinnen erfassen. Beide Künstler nutzen Daten und ihre Träger und lassen sie zur Quelle des künstlerischen Schaffens werden. Der Videorekorder und das Magnetband, sie beide stehen im unweigerlichen Zusammenspiel zwischen Speichern und Lesen, die spezielle Hängung des Loops erzeugt das Vergessen und die Wiederholung. Somit schließt sich der Bogen und wir können uns wie ganz zu Beginn auf Marion Strunks Worte beziehen: Das Erinnern beginnt mit dem Vergessen. Das Speichern hingegen hat die Erinnerung nicht zur Bedingung – sehr wohl jedoch umgekehrt. Wir können beobachten, dass sich der Mensch der Maschine angleicht, wir orientieren und nach technologischen Abläufen, dazu schaffen wir uns Einheiten wie die Zeit, künstliche und willkürliche Einheiten. So verhält es sich auch mit den Speichermedien: Wir schaffen sie uns um zu konservieren und werden gleichzeitig von ihnen manipuliert und beeinflusst. Unsere Prothesen merzen unsere Mängel aus und erheben uns in den Status des höchsten Säugetiers. Doch und gerade deswegen haben wir mit anderen Problemen zu kämpfen, wir lagern unsere Daten aus, wir laden sie hoch, wir geben sie preis, willkürlich oder unwissend. In diesem Sinne sind unsere Gedanken zu den Retentions unserer Zeit abgeschlossen. Führen wir uns noch einmal eine rauschende Bildsequenz vor Augen. Die Störungen die Artefakte, sie sind Ergebnis ungerechter Datenträger. Wir erblicken einen Nomaden, wir können ihn nicht einordnen – mit entschlossenem Schritt wandert er durch die Einstellung. Sein Bild ist unklar, unscharf, Bildstörungen als Zeichen von Menschlichkeit, oder als Symbol für die Befreiung aus der Technisierung? Noise als Puls der Datenströme, das auf die Endlichkeit der Technik hinweist und den Menschen atmen lässt. Aus diesem Grund sind Störungen erlaubt, erwünscht. Geben wir dem Werk Luft zum atmen.