SINNESKONSTRUKTE

CLOSE X

Gegenwärtig existiert keine Maschine, die Informationen so schnell und genau prozessieren kann wie der menschliche Sinnesapparat im Zusammenspiel mit unserem Gehirn.

QUELLEN

15 zit.n. Kaku, S164
16 zit.n. Kaku, S164
17 zit.n. Kaku, S165
18 vgl. Kaku, S166 

Empfohlene Hyperlinks

CLOSE

DAS KULTURELLE GEDÄCHTNIS

/

BESPRECHUNG DER GEDÄCHTNISSE

/

DAS ELEKTRONISCHE GEDÄCHTNIS

/

GEDANKEN ZUM VERGESSEN

/

SINNESKONSTRUKTE

Die Bildung von Erinnerungen ist anatomisch gesehen ein sehr komplexer Vorgang: Bei dem Film »Ghost in the Shell« (dieser wird in Kapitel 4 noch genauer erörtert), haben wir es mit einem futuristischen Konzept der Erinnerungsbildung zu tun. Die Protagonistin kann sich einfach mittels einer »Steckdose« an ihrem Halsrücken ins digitale Network einklinken. Blitzschnell kann sie somit Informationen und Erinnerungen aller Art abrufen. Im Vergleich dazu wird aus heutigem Stand der Wissenschaft noch eine Abkürzung zum zentralen Verarbeitungssystem, dem Hippocampus genommen. Motoko (die Protagonistin des Films) platziert Elektroden an ihrem Hinterkopf um Daten direkt ins Gehirn runterzuladen. Dabei wird davon ausgegangen, dass es möglich ist die unverarbeiteten Rohsignale von Haut, Ohren, Augen, etc. (all unsere sensorischen Sinnesorgane) zu decodieren. „Das ist viel aufwendiger und schwieriger als die verarbeiteten Botschaften zu analysieren, die im Hippocampus zirkulieren.“15 Um einen Eindruck vom schieren Umfang der unverarbeiteten Information zu bekommen, die den menschlichen Thalamus passiert, lohnt es sich nur einen einzelnen Aspekt unserer sensorischen Wahrnehmung genauer zu erläutern: In diesem Fall - das Sehen.

Viele unserer Erinnerungen werden als Seheindrücke codiert. In der Netzhaut (Retina) unserer Augen gibt es ungefähr 130 Millionen Fotorezeptoren (diese werden in sogenannte »Stäbchen« und »Zäpfchen« kategorisiert und dienen dem Farb- sowie Hell-Dunkel-Sehen). Diese Rezeptoren ermöglichen es uns zu jedem Zeitpunkt rund 100 Million Bit (das entspricht rund 12 Megabyte) an Information aus unserer Umwelt zu verarbeiten. Diese riesige Datenmenge wird gesammelt und über den Sehnerv (dieser hat eine Leistungskapazität von rund 9 Millionen Bit / Sekunde) an den Thalamus weitergeleitet. „Von dort wandert die optische Information weiter in den Hinterhauptlappen am hinteren Hirnpol. Diese Sehrinde (auch visueller Corte genannt) beginnt mit der mühseligen Analyse dieses Datenbergs.“16 Die Sehrinde besteht aus mehreren Unterabteilungen (genannt V1-V8) die allesamt spezifische Aufgaben erfüllen. Hervorzuheben wäre hier V1, da er sich bemerkenswerter Weise wie ein technischer Bildschirm verhält. Er schafft ein Muster im Hinterkopf, das dem Originalbild (dem Gesehenen) stark ähnelt. In den verschiedenen Arealen werden unterschiedlichste Kategorien der Informationscharakteristika verarbeitet: Das räumliche Sehen (V2), mittels Schatten, Erfahrung und der Parataxe unserer beiden Augen werden Entfernungen gemessen (V3), Farben (V4), Bewegung (V5), etc.;

Bisher wurden mehr als 30 verschiedene neuronale Schaltkreise identifiziert, die am Vorgang des menschlichen Sehens beteiligt sind, doch höchstwahrscheinlich gibt es noch einige mehr. Vom menschlichen Hinterhauptlappen wird die Information dann zum präfontalen Corte weitergeschickt, wo uns schließlich das Bild erscheint - wir also »Sehen« und eine Kurzzeiterinnerung bilden. Von dort aus wird die prozessierte Information zum Hippocampus weitergeleitet – sie wird verarbeitet und für 24 Stunden gespeichert. „Die Erinnerung wird dann aufgefächert und über verschiedene Cortices verteilt.“17 Sehen als Prozess und als für uns körpereigene Selbstverständlichkeit benötigt also Milliarden von Neuronen die sequenziell Millionen an Bits von Informationen pro Sekunde übertragen. An dieser Stelle gibt es zu bedenken, dass jeder Mensch fünf Sinnesorgane besitzt und wir mit jedem Bild Emotionen verknüpfen, die ebenfalls in ”Echtzeit“ prozessiert werden. Gegenwärtig gibt es noch keine technische Maschinerie, die diesen Prozess auch nur annähernd simulieren kann – daher stehen Wissenschaftler, die einen künstlichen Hippocampus kreieren wollen, vor einer enormen Herausforderung.18

SINNESKONSTRUKTE

CLOSE X